Der Blick auf Politik

Veröffentlicht von jw am

Politische Bildung und Aufklärung sind zwei zentrale Bestandteile einer funktionierenden Demokratie. Aufgeklärte Bürgerinnen und Bürger mit Zugriff auf alle notwendigen Informationen stützen eine tolerante und partizipative Gesellschaft. Ohne Medien ist dies kaum vorstellbar. Entsprechend zeigen Länder, in denen sich Prozesse hin zu Autokratie anbahnen, immer auch Eingriffe und Unterdrückung bei unabhängigen Medien.

Die Rangliste Pressefreiheit der Initiative Reporter ohne Grenzen zeigt jedes Jahr bedenkliche Tendenzen auf und titelt in diesem Jahr mit „Unterdrückung unliebsamer Berichterstattung nimmt weltweit zu“ und führt weiter aus:

„‚Die Aggressivität gegenüber Medienschaffenden steigt weiter. Viele Regierungen und gesellschaftliche Gruppen versuchen, kritische Berichterstattung zu unterbinden. Erschreckend ist, dass die Zahl der Übergriffe in Deutschland auf ein Rekordhoch gestiegen ist‘, sagte RSF-Vorstandssprecher Michael Rediske. ‚Demokratische Regierungen müssen Medien in ihren eigenen Ländern unterstützen, den Druck auf autoritäre Regime erhöhen und auch Exilmedien stärken. Desinformation darf nicht die Oberhand behalten.‘“

Rangliste der Pressefreiheit 2023/Reporter ohne Grenzen

Auch in Deutschland gibt es seit Jahren negative Tendenzen in Sachen Pressefreiheit, sichtbar in steigenden Zahlen im Bereich der Übergriffe auf Journalistinnen und Journalisten. Umso wichtiger ist da eine Plattform für qualitativ hochwertige Online-Publizistik, wie sie der Grimme Online Award seit Jahren auszeichnet:

„Der Grimme Online Award versteht sich als Qualitätspreis für Online-Publizistik. Er prämiert deutschsprachige Online-Angebote, die sich an die allgemeine Öffentlichkeit richten. Mit der jährlichen Auszeichnung herausragender Formen und Entwicklungen öffentlicher Kommunikation und Information bietet der Grimme Online Award Anbieter*innen und Nutzer*innen eine beispielhafte Orientierung für publizistische ‚Qualität im Netz‘.
(aus dem Statut des Grimme Online Award)

Da wundert es nicht, dass bei einem Blick in die zurückliegenden Preisjahre zahlreiche Preisträgerinnen und Preisträger politische Themen aufgegriffen haben. Im Folgenden stellen wir Ihnen eine Auswahl noch einmal vor:

2001 erhielt das Online-Angebot politik-digital in der Kategorie „Medienkompetenz“ einen Grimme Online Award. Beschrieben wurde das bepreiste Angebot wie folgt:

„Die Seiten von politik-digital bieten umfangreiche Informationen zu Netzpolitik, Netzbildung, Netzökonomie und Netzkultur. Sachlich und unprätentiös präsentiert, in komplexer Darstellung und funktionalem Layout. Die Redaktionen in Berlin und Köln greifen in Kooperation mit europäischen Partnern aktuelle Debatten auf und initiieren Diskussionen im digitalen Raum – von Foren über Petitionen bis hin zu regelmäßigen Chats mit Politikern. Dabei werden die Möglichkeiten des Internet als neues Instrument der politischen und gesellschaftlichen Meinungsbildung konsequent genutzt.“
(aus der GOA-Projektbeschreibung)

2002 fand man unter den Preisträgerinnen und Preisträgern des Grimme Online Award in der Kategorie Medienkompetenz Newcomer eine Politiksimulation mit dem Namen dol2day (democracy online today).

„Die Webseite mit virtuellem Parteiensystem. Prominente Politiker stehen der Usergemeinde im Chat Rede und Antwort. Regelmäßig wird ein Internet-Kanzler gewählt. So versteht sich die Community als Pilotprojekt in der Umsetzung einer direkten Demokratie und schöpft die Möglichkeiten dieser modernen Technik aus. Neben den Internet-Parteien gibt es Initiativen für Sport,- und Politikfans sowie für Freunde verschiedener Fernsehsendungen und Musikgruppen, die innerhalb dieser Politiksimulation ihre Interessen vertreten können.“
(aus der GOA-Projektbeschreibung)

Die Jury begründete wie folgt:

„Das Onlineangebot dol2day erhält den Förderpreis Medienkompetenz für seine beispielgebende Nutzung der internetspezifischen Möglichkeiten beim Aufbau einer politikorientierten Online-Community. In einer Mischung aus Rollenspiel und Diskussionsforum – mit durchaus ernsthaften Themen und Anliegen – ist es den Betreibern gelungen, eine beachtliche Vielfalt und gleichzeitig Konstanz in die Aktivitäten des Netzwerkes zu bringen. Dazu hat auch die stark auf Selbstorganisation und Mitbestimmung angelegte Entwicklungsperspektive der Website beigetragen. Überzeugend sind dabei die sehr umfangreichen interaktiven Möglichkeiten, die durch das professionelle Niveau der technischen Lösungen gegeben werden. Sie machen es den Benutzern leicht, entlang der von der Gemeinschaft verabredeten Regeln selbst aktiv zu werden, ihren Standpunkt zu veröffentlichen und zur Debatte zu stellen.“

Auszug aus der Jurybegründung

2009 erhielt das ZDF Parlameter (online nicht mehr verfügbar) in der Kategorie Information einen Grimme Online Award:

Screenshot, März 2024

„Das ‚ZDFParlameter‘ macht namentliche Abstimmungen der Bundestagsabgeordneten transparent und dadurch Demokratie nachvollziehbar. Es ist, als würde man durch die gläserne Kuppel des Reichtagsgebäudes schielen und den Abgeordneten bei ihren Abstimmungen über die Schulter schauen. In einer aufwändigen Grafik, die das Plenum samt Parteienfarbspektrum plastisch stilisiert, erkundet der Nutzer die politischen Entscheidungen seiner gewählten Vertreter. Er kann nicht nur herausfinden, wie welcher Abgeordneter gestimmt hat, sondern die Parlamentarier auch nach bestimmten Kriterien filtern – so zum Beispiel, ob sich das Wahlverhalten je nach Geschlecht, Alter, Familienstand oder Bundesland unterscheidet. Prägnante Politikerprofile ergänzen das Angebot.“
(aus der GOA-Projektbeschreibung)

Die Jury schrieb dazu:

„Das ‚ZDFParlameter‘ bringt ein kleines Stück mehr Transparenz in unsere Demokratie: Die Intention dieses Angebots ist es, das Abstimmungsverhalten aller Bundestagsabgeordneten zu den unterschiedlichen Gesetzesvorlagen zu dokumentieren und für den Bürger auf anschauliche Weise nachvollziehbar zu machen.

Dabei ist das Angebot immer auf einem neuen Stand und hilft somit, selbst aktuelle Bundestags-Abstimmungen zu hinterfragen. Der Inhalt der Gesetzesvorlagen wird dabei in kurzen Texten verständlich zusammengefasst, die allerdings von Links in das übrige ZDF-Angebot ergänzt werden könnten, um die Beschäftigung mit den inhaltlichen Hintergründen noch leichter zu gestalten.“

Auszug aus der Jurybegründung

Lesen Sie hierzu auch das Interview im quergewebt-Blog mit der Mitinitiatorin Jasna Strick.

2010 war das Angebot „Zeit der Entscheidung – Die Soap deiner Wahl“ (online nicht mehr verfügbar) unter den Nominierten des Grimme Online Award:

„Parteiprogramme sind langweilig und nicht verständlich – so die Meinung vieler Jungendlicher. Anders ist das  bei ‚Zeit der Entscheidung‘: Die interaktive Soap vermittelt politische Inhalte auf einem unterhaltsamen Weg. Themen wie Cannabiskonsum, Wehrpflicht oder Wahlrecht für Migranten werden darin behandelt und anschaulich dargestellt, wie die Parteien dazu stehen. Denn jede Folge schließt mit der Frage ab, welche Partei man wählen würde. Die jungen Nutzer können ihr Kreuz für eine von fünf Parteien machen, somit gibt es auch fünf Versionen, wie die Geschichte weitergeht. Die Online-Soap ist eine exemplarische Möglichkeit, junge Nutzer für politische Zusammenhänge zu sensibilisieren und sie aufzurufen, aktiv an Wahlen teilzunehmen.“
(aus der GOA-Projektbeschreibung)

2011 war der „Neusprechblog“ für den Grimme Online Award nominiert:

„Der Name ‚neusprech‘ ist George Orwells Roman „1984” entnommen und damit Programm. Ob ‚Stresstest‘, ‚Biosprit‘ oder ‚Schutzlücke‘: Seit Frühjahr 2010 beobachten Martin Haase und Kai Biermann in ihrem Blog die Sprache von Politik und öffentlichen Debatten. Sie hinterfragen die verwendeten Begriffe, beleuchten sprachliche Hintergründe oder Wortverdrehungen und entlarven ideologische oder interessengeleitete Implikationen. Was in der Regel als selbstverständlich hingenommen wird, offenbart so bei genauerem Hinsehen ganz neue Dimensionen.“
(aus der GOA-Projektbeschreibung)

2014 erhielten gleich zwei Angebote mit politischen Themenstellungen einen Grimme Online Award: Jung & Naiv – Politik für Desinteressierte in der Kategorie Information und netzpolitik.org in der Kategorie Spezial:

Screenshot, März 2024

„Von Tilo Jung erdacht und moderiert will die Sendung ‚Jung & Naiv‘ den eher Desinteressierten politische Themen nahebringen. Ursprünglich als reines Webvideo produziert, werden die Interviews mit Politikern, Journalisten oder Experten mittlerweile auch im Kabelnetz gesendet. ‚Jung & Naiv‘ ist dabei vor allem als Fragehaltung zu verstehen, die den Interviewpartnern immer wieder Ungehörtes und teilweise auch Unverblümtes entlockt. Zusätzlich können die Zuschauer in der Rubrik ‚Eure naiven Fragen‘ eigene Fragen einreichen.“
(aus der GOA-Projektbeschreibung)

Die Jury begründete wie folgt:

„Selten hat sich ein neues journalistisches Angebot so erfrischend in Inhalt und Struktur gezeigt wie dieses Bewegtbildangebot, dessen zentrale Dreh- und Angelplattform YouTube ist und das von dort aus eine große Medien-Klaviatur bespielt. Eine Interviewreihe, die von unverblümten, eben ‚naiven‘ Fragen und den damit entlockten, teils entlarvenden Antworten von hochrangigen Politikern, Experten und Bürgern lebt. Ein Format, das die Konsumenten zu Prosumenten macht und sie durch Crowdsourcing der Fragen, Crowdfunding einer Europawahl-Tour, Vorschlagen neuer Interviewpartner und in crossmedialen Diskussionen aktiv in die Contentproduktion integriert.“

Auszug aus der Jurybegründung

Der quergewebt-Blog sprach mit Tilo Jung im Interview.

„Nach den Enthüllungen Edward Snowdens ist der Themenkomplex um Überwachung, Telekommunikationsgesetze und digitale Rechte noch wichtiger geworden. ‚netzpolitik.org‘ macht diese Themen einer breiten Öffentlichkeit bekannt, erklärt sie und leistet Lobbyarbeit für digitale Bürgerrechte und ihre politische Umsetzung. Rund 30 Autoren liefern Berichte und Kommentare, produzieren Videos und Podcasts. Initiator Markus Beckedahl betreibt das Blog seit 10 Jahren und ist auch darüber hinaus Gesicht und Stimme netzpolitischer Aktivitäten in Deutschland.“
(aus der GOA-Projektbeschreibung)

Die Jury schrieb dazu:

„‚netzpolitik.org‘ ist es gelungen, ein Sammelbecken für jene Opposition zu sein, die nicht hinnehmen will, dass das freie Netz zerstört oder zumindest eingeschränkt wird. Zusammen mit einer stetig wachsenden Community schafft es das mittlerweile auf 30 Autoren angewachsene Team, digitale Themenfelder zu besetzen, um so auch eine Anlaufstelle für die klassischen Medien zu werden. ‚netzpolitik.org‘ gehörte zu den ersten deutschsprachigen Publikationen, die davor warnten, dass die Ereignisse im Netz auch eine Auswirkung auf das reale Leben haben würden. Überwachung, Datenschutz und Netzneutralität sind bis heute die Themen, die die Website und ihre Community antreiben – nach den Snowden-Enthüllungen mit noch größerer Resonanz in der breiten Bevölkerung. Der Umfang und die Aktualität der Berichterstattung sind bemerkenswert, ebenso die Tatsache, dass die Arbeit des Teams nicht an den Grenzen Deutschlands zu Ende ist.“

Auszug aus der Jurybegründung

Lesen Sie hierzu auch das Interview mit Markus Beckedahl im quergewebt-Blog.

2017 wurden die Landtagswahlen in NRW zum Thema eines Preisträgers. Das Angebot „Ihre Wahl – der WDR-Kandidatencheck“ (Link führt aktuell zum Kandidatencheck zur Landtagswahl 2022) erhielt in der Kategorie Information einen Grimme Online Award:

Screenshot, März 2024

„Anlässlich der NRW-Landtagswahl stellten sich über 1.300 Kandidaten aus 128 Wahlkreisen zur Wahl, darunter bekannte und weniger bekannte. Fast 1.000 von ihnen hat der WDR im Interview ‚gecheckt‘. Eine unglaubliche logistische Herausforderung, aber auch ein nie zuvor dagewesenes Vergleichstableau der Bewerberlage um die Wählergunst in NRW. Im ‚WDR-Kandidatencheck‘ hat jeder Kandidat bis zu 20 – immer gleiche – Fragen und vier Minuten Zeit, sich unter Live-Bedingungen und ohne Schnitte vorzustellen.“
(aus der GOA-Projektbeschreibung)

Die Jury schrieb dazu:

„Der ‚WDR-Kandidatencheck‘ schaffte zur NRW-Landtagswahl mit einfachen, aber wirksamen Mitteln Abhilfe im demokratischen Notstandsgebiet. 984 Videos mit Kandidaten hat ein Team des WDR online gestellt, gleiche Fragen, gleiche Länge – und damit gleiches Recht und gleiche Chancen für alle. Ein Format, das auch den Vertretern kleiner Parteien die Möglichkeit gab, auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen – zum Nutzen auch der Wähler. Übersichtlicher und einfacher war es nie, die Kandidaten des eigenen Wahlkreises zu finden und sich über sie zu informieren.“ 

Auszug aus der Jurybegründung

2018 verabredete Zeit Online Bürgerinnen und Bürger zum Polit-Talk (Link führt zum aktuellen Stand des Austauschs) miteinander und erhielt dafür in der Kategorie Spezial einen Grimme Online Award:

„Wir reden zu wenig miteinander. Zumindest außerhalb unserer Filterblase. Dem hat ‚Zeit Online‘ mit dem aufwendigen Projekt ‚Deutschland spricht‘ aus dem Ressort #D17 abgeholfen. Vor der Bundestagswahl wurden mittels eines Algorithmus unbekannte Paare für einen Diskurs zusammengebracht. Die Teilnehmer beantworteten vorab fünf Fragen und wurden mit einem möglichst kontroversen Gegenstück aus der Nähe gematcht. Anschließende Offlinetreffen wurden zum Teil begleitet und Artikel darüber im Web publiziert.“
(aus der GOA-Projektbeschreibung)

Die Jury begründete wie folgt:

„Mit ihrer Aktion ‚Deutschland spricht‘ hat sich die Redaktion von ‚Zeit Online‘ über die Grenzen des Journalismus hinaus mitten in die Gesellschaft hinein gewagt. In einer Zeit, in der politische Diskussionen zunehmend von Gereiztheit, Ab- und Ausgrenzung geprägt sind, war diese Kontaktbörse gegensätzlicher Standpunkte durchaus ein Wagnis.
Viele der mehreren hundert von der Redaktion vermittelten Gespräche sind im Verborgenen geblieben und manche wurden wohl auch abgebrochen. Doch die dokumentierten Dialoge illustrieren eine oft anrührende Bereitschaft zuzuhören, zu argumentieren und die eigene Position zumindest in einen gemeinsamen Raum der Optionen zu stellen. Dass der Chefredakteur von ‚Zeit Online‘ selbst an einem der Gespräche teilnahm und einen sehr eindrücklichen, persönlichen Bericht darüber beigesteuert hat, unterstreicht die Ernsthaftigkeit der Aktion und gibt ihr zusätzliches Gewicht.“

Auszug aus der Jurybegründung

Der quergewebt-Blog sprach mit Philip Faigle, Redakteur bei “ZEIT ONLINE”, im Interview.

2020 erhielt Rezo für sein YouTube-Video „Die Zerstörung der CDU“ einen Grimme Online Award:

Screenshot, März 2024

„Schlagartig wurde im Mai 2019 Politiker*innen und Journalist*innen die Relevanz von YouTube klar. Auslöser war das Video ‚Die Zerstörung der CDU‘, in dem Rezo mit einem 13-seitigen Quellenverzeichnis die Politik von CDU, CSU, SPD und AfD kritisierte. Mit diesem inzwischen über 17 Millionen Mal geklickten Video führte Rezo politische Themen und Kenntnisse zur Quellenrecherche an eine junge Zielgruppe heran. Gleichzeitig löste er eine intensive Debatte in politischen sowie journalistischen Kreisen aus.“
(aus der GOA-Projektbeschreibung)

Die Jury schrieb dazu:

„Der eigentliche Wert der ‚Zerstörung der CDU‘ besteht in der hochfrequenten Rezeption über alle Medienkanäle und Generationen hinweg. Ausgelöst durch dieses Video wurde intensiv wie selten zuvor über Vortrag und Wirkung der regierenden Politik, aber auch der Medien diskutiert. Rezo selbst beteiligte sich daran und reagierte durchaus besonnen auf Kritik an der emotionalisierenden Form seines Auftritts. Eine Intervention aus dem vermeintlich unpolitischen Off mit Langzeitwirkung, die mehr aufbaut als zerstört.“

Auszug aus der Jurybegründung

Im quergewebt-Blog findet sich ein Interview mit Rezo.

Es gibt sicherlich noch weitere Beispiele in der umfangreichen Liste der Grimme Online Award-Gewinnerinnen der vergangenen Jahre, die sich auf gelungene Art und Weise politischer Themen angenommen haben. Wenn Sie Lust bekommen haben, weiter zu stöbern, schauen Sie auf der Grimme Online Award-Website in die Rubrik Archiv.