Panel „Methoden & Formate“

Veröffentlicht von jw am

Sabrina Ebitsch und Martina Schories, SZ-Datenredaktion
Johannes Filous, Straßengezwitscher
Thomas Laschyk, Volksverpetzer
Dennis Leiffels, Y-Kollektiv
Cordt Schnibben, reporterfabrik 

Foto: Munira Abbas

Beim zweiten Panel stellen sechs Medienmacher*innen ihre Formate vor: Sabrina Ebitsch und Martina Schories aus der SZ-Datenredaktion, Johannes Filous von “Straßengezwitscher”, Thomas Laschyk vom “Volksverpetzer”, Dennis Leiffels vom Y-Kollektiv und Cordt Schnibben von der Reporterfabrik. Sie alle stehen für neue Wege, Informationen aufzubereiten. Wobei sich die  Teilnehmer*innen schnell einig sind: Mit keiner Plattform oder Methode kann man jeden und jede erreichen. Manche Menschen, die ein sehr geschlossenes Weltbild haben, erreicht man vielleicht auch gar nicht. Dennoch geht es darum, möglichst viele von ihnen für Fakten zu gewinnen und Alternativen zu den klassischen Medienangeboten zu schaffen.  

Mit der Reporterfabrik verfolgt Cordt Schnibben den Ansatz, Bürger*innen selbst zu Medienmacher*innen auszubilden. Dahinter stecken 200 Medienschaffende, die in Online-Workshops journalistisches Handwerk vermitteln.  „Unser Ansatz ist es, das Wissen aus der vierten Gewalt in die fünfte Gewalt zu transportieren“, erklärt Schnibben. Auch für Lehrer*innen, Schüler*innen und Volkshochschulen gibt es Angebote. „Medienkompetenz muss heute bedeuten, dass wir den Bürger befähigen, sein eigener Chefredakteur zu sein“, betont er. In den vergangenen Jahren habe er miterlebt, wie Online-Journalismus und Journalismus für Social Media immer wichtiger geworden seien: “Wenn ich das, was ich mache, weitermachen und an die Leute herantragen will, muss ich dahin gehen, wo die Leute sind. Und die sind nun mal in den großartigen Feldern der sozialen Medien, und deswegen bin ich dort jetzt auch.” 

Foto: Munira Abbas

Johannes Filous war 2015 mit seinem Mitbewohner dabei, als ein Protestcamp, das Geflüchtete vor der Semperoper errichtet hatten, durch 150 Rechtsradikale angegriffen wurde. Dass danach kaum in den Medien darüber berichtet wurde, fand er unzumutbar und startete eine Online-Berichterstattung unter dem Namen „Straßengezwitscher“. Hierfür legt er klare journalistische Standards zu Grunde, beispielsweise, dass keine Information veröffentlicht wird, ohne doppelt überprüft worden zu sein. Dass Berichterstattung nämlich nie ganz objektiv sein kann, beweist er mit einem mitgebrachten Apfel: Der Apfel liegt für das Publikum sichtbar vor ihm, dass er jedoch vom Publikum abgewandt ein Lächeln eingeritzt hat, sieht nur, wer ein Foto davon unter dem Hashtag #SCD auf Twitter sucht. Die Färbung einer Information hängt also auch immer von den Verbreitenden ab. Obwohl eine monothematische Berichterstattung wie diese eher trocken sein kann und nicht so einfach Reichweite generiert wie emotionalisierte Schlagzeilen, stellt er doch auch fest, dass die Menschen die Kontinuität und Nähe des Journalismus von Straßengezwitscher schätzen. „Wir berichten über Angriffe auf die Demokratie, da ist es für mich eine Pflicht dran zu bleiben. Das macht auch Spaß, obwohl man schlimme Seiten der Bundesrepublik kennenlernt. Ich kann nicht aushalten, dass Kommiliton*innen, die einfach nicht aussehen, als kämen sie aus meiner Stadt, dort eine scheiß Zeit haben. Aus der Medizin kommend weiß ich, dass es wichtig ist, nicht die Augenhöhe zu verlieren, und aus einer fachlichen Hierarchie eine menschliche zu machen.“ 

Auch Thomas Laschyk hat 2015 sein Medienprojekt ins Leben gerufen. „Der Volksverpetzer“ war zuerst reines Hobby, berichtet er. „Ich habe am Anfang ganz naiv gedacht, man muss ja nur ein bisschen mit den Leuten reden und die aufklären.“ Mittlerweile habe er sich von dem Anspruch verabschiedet, jeden Skeptiker am rechten Rand erreichen zu können. Mit Satire und Zuspitzung kommentiert „Der Volksverpetzer“ gezielt die Handlungen von demokratiefeindlichen Gruppierungen. Oft ist dabei die Menge der Themen größer als die verfügbare Zeit, sagt Laschyk. „Ich habe nicht die Ressourcen, um jedes Thema zu recherchieren und jeden Tag rauszugehen. Deshalb brauche ich die Arbeit von Faktencheckern und versuche dann, diese Fakten so aufzubereiten, dass sie eine größere beziehungsweise andere Aufmerksamkeit bekommen.“ 

„Es ist Quatsch, zu sagen, die junge Generation interessiere sich nicht für journalistische Inhalte.“ So fasst Dennis Leiffels den Erfolg der Produktionen von Y-Kollektiv zusammen, die monatlich von 5-15 Millionen Menschen angeschaut werden. Er wünscht sich, dass mehr Journalist*innen auf Social Media vertreten wären, um dort handwerklich gute und wichtige Informationen zu verbreiten, wo sie die Menschen, die sonst nicht erreicht werden können, tatsächlich erreichen. Rechte Medienmachende bewiesen momentan täglich, dass es möglich sei, die Menschen, die als von den etablierten Medien nicht erreichbar gelten, doch zu erreichen. Dabei werde sich nicht mehr an journalistische Regeln gehalten. An dieser Stelle müsse dringend angesetzt werden. Hierfür fordert er einen Online-Presserat, in dem sich Online-Medien in einer freiwilligen Selbstkontrolle zu journalistischer Qualität verpflichten. Da Dennis Leiffels seine Art der Arbeit als „Selfie-Journalismus“ bezeichnet, funktioniert diese Selbstkontrolle bei ihm über den öffentlichen Zusammenhang zwischen seinen Produktionen und seinem dadurch bekannten Gesicht. Die Online-Community sei stark, aber honoriere ehrliche und realistische Arbeit von und für eine junge Generation. 

Die Aufbereitung von komplizierten Fakten ist das Spezialgebiet von Sabrina Ebitsch und Martina Schories. Die beiden arbeiten für die Datenredaktion der Süddeutschen Zeitung. Was macht den Reiz des Datenjournalismus aus? „Unser Anspruch ist es, die Themen so aufzubereiten, dass wir möglichst viele Leute erreichen“, erklärt Sabrina Ebitsch. Dabei verfolgten sie zwei Ziele: Zum einen ihre journalistische Arbeit transparent zu machen und zum anderen die Erkenntnisse auf die Lebensrealität der Menschen herunterzubrechen. Wie genau ein Thema umgesetzt werden soll, werde in der Redaktion auch mal länger diskutiert, sagt Ebitsch. Martina Schories gibt zu bedenken, dass es immer wichtig ist, die Datengrundlage nicht aus den Augen zu verlieren. Oft habe sie das Gefühl, dass zu großer Fokus auf einer möglichst aufwändigen Visualisierung liege. 

Was die Medienmacher*innen antreibt? Für Sabrina Ebitsch ist es “ganz klassisch der Gedanke an Information und Aufklärung und die Idee, dass man die Leser im Idealfall zu Multiplikatoren macht”. Andere vertrauen auf die Rückmeldung aus der Bevölkerung: “In meiner durchaus längeren journalistischen Laufbahn habe ich für kein Projekt so viel Unterstützung bekommen wie für dieses”, sagt Cordt Schnibben über die reporterfabrik. Thomas Laschyk freut sich über Lob und konstruktive Kritik. “Das motiviert mich, meinen Job besser zu machen.” Dennis Leiffels beschreibt die Arbeit des Online-Journalismus als Bällebad, in dem alles ausprobiert werden dürfe. 

Von Fabia Rombach und Rabea Gruber