Qualität im Netz hat ihren Preis – von den Anfängen des Grimme Online Award

Veröffentlicht von jw am

Preisträger Sascha Lobo, Robin Meyer-Lucht („Carta“), Ralph Caspers („Wissen macht Ah!“) und Mario Sixtus (v. l.) auf der Bühne zur Preisverleihung 2009, Foto: Jens Becker

Es war nach der Jahrtausendwende, im Jahr 2000, dass sich im Grimme-Institut unter Friedrich Hagedorn, dem Leiter des Referats Medienbildung, ein Team des Instituts und mehrere Expert(inn)en in Interviews, Konferenzen und Workshops zusammenfanden, um gemeinsam zu überlegen, wie man einen Online-Preis konzeptionieren, Statut und Verfahren ausarbeiten und einen Wettbewerb auf die Beine stellen kann.

„Der institutsinterne Impetus dazu kam Mitte 1999. Nachdem das Land Nordrhein-Westfalen, vertreten durch die e-nitiative.nrw des Ministeriums für Schule, Wissenschaft und Forschung, für eine Entwicklungsförderung gewonnen war, konnte der Preis im Frühjahr 2000 erstmals öffentlich annonciert werden. Mit der Unterstützung durch das Land wurde auch ein besonderer inhaltlicher Akzent gesetzt: nämlich die Auslobung eines eigenen Förderpreises ‚Grimme Online Award Medienkompetenz‘, gestiftet vom Ministerium für Schule, Wissenschaft und Forschung.“ .

(aus dem Artikel „Ein neuer Preis für Qualität im Netz“ von Friedrich Hagedorn in der Preispublikation 2001)

Eine Preisrecherche auf dem deutschen und internationalen Markt ergab:

„Die meisten journalistisch ausgerichteten Preise, die Online-Angebote zumindest als eine Komponente bzw. Kategorie ausweisen, entstammen eher der Tradition und dem Umfeld des Print-Journalismus. Ein auf Rundfunk-Angebote (insbesondere Fernsehen) ausgerichteter Online-Preis konnte derzeit weder national noch international recherchiert werden (ohne Anspruch auf Vollständigkeit)“.

(aus dem Papier von Friedrich Hagedorn: AGP Online – Ermittlung bestehender Preise und Wettbewerbe, September 2000)
Saal der Flora zur Preisverleihung 2016, Grimme-Direktorin Frauke Gerlach auf der Bühne mit Moderator Jo Schück, Foto: Arkadiusz Goniwiecha/Grimme-Institut

Für die befragten Expert(inn)en war schon damals wichtig, dass Internetseiten gewisse Standards erfüllen:

„Jeder Nutzer muß ohne große Schwierigkeiten alles, was ich auf meinen Seiten habe nutzen und sehen können. Das ist einerseits ein technischer Standard den man da erfüllen muß, andererseits aber auch so etwas wie Navigation und Design.“

(aus dem Experteninterview mit Georg Seppmann, Projektkoordinator virtuelle Hochschule Bayern, Hof)

Am Ende des ersten Workshops wurde folgendes Fazit gezogen, aus dem sich später die ersten Kategorien entwickeln sollten:

  1. „Der AGP Online zeichnet Onlineangebote mit Rundfunkbezug aus.
  2. Ein weiterer Preis wird für pädagogisch orientierte Angebote vergeben.
  3. Es besteht die Möglichkeit, einen AGP Online-Spezial zu vergeben, für den unterschiedliche An­gebote eingereicht werden können.

Wichtig ist, dass der AGP Online die Dynamik des Mediums Internet gerecht wird!“

(aus dem Experteninterview mit Georg Seppmann, Projektkoordinator virtuelle Hochschule Bayern, Hof)

Der Namenswechsel vom ersten Arbeitstitel: AGP (Adolf Grimme Preis) Online zur endgültigen Benennung Grimme Online Award erfolgte im Dezember 2000 (aus dem Zwischenbericht des Grimme Online Award März 2001). In den ersten Jahren konzentrierte sich der Preis auf fernsehbezogene Online-Angebote, wie sich an den ersten ausgezeichneten Preisträgern wie MTV Online und GIGA.de ablesen lässt.

In einer Pressemitteilung des Grimme-Instituts aus Dezember 2000 wird deutlich, dass der Qualitätsbegriff des Grimme Online Award von Anfang an im Mittelpunkt des Preises steht:

„Ausgehend von dieser wachsenden Bedeutung des Internet und seiner komplementären Wechselwirkung zum Medium Fernsehen (Stichwort Konvergenz) wurde der Grimme Online Award aus der Taufe gehoben, um einen wichtigen Beitrag zur Qualitätsorientierung im Internet zu schaffen. Vor allem durch begründete, beispielhafte Orientierungen soll der Grimme Online Award in signifikanter Weise die Auseinandersetzung über ‚Qualität im Netz‘ und die Herausbildung von Qualitätsstandards unterstützen.“

Der erste Wettbewerb des GOA startete am 15. Februar 2001 mit der Einstellung von Vorschlagsformularen auf der neuen Domain www.grimme-online-award.de, unter der Nutzer*innen bis zum 15. April und Anbieter*innen bis zum 30. April Online-Angebote vorschlagen konnten. Dies unterscheidet sich gar nicht so sehr vom heutigen Vorgehen in der Einreichungsphase (eingereicht wird weiter über Online-Formulare), mit dem Unterschied, dass jetzt Nutzer oder Anbieterinnen gleich viel Zeit zum Einreichen haben. Die Einreichfrist wurde in den kommenden Jahren auch noch einige Male angepasst, zunächst wurde sie auf Mitte Januar bis Mitte März verschoben und dann verkürzt vom 15. Januar bis zum 1. März, was der Nominierungskommission mehr Zeit in der finalen Sichtungsphase verschafft und bis heute gültig ist.

Auch die Kategorien haben einige Wandlungen erfahren. Den Grundstock bildeten 2001 „Grimme Online Award TV“, „Grimme Online Award Web-TV“, „Grimme Online Award TV-Journalismus“ und ein Förderpreis des Landes NRW für Medienkompetenz. In der Kategorie TV-Journalismus befand die Nominierungskommission damals kein Angebot für nominierungswürdig, insgesamt standen hierfür aber auch nur wenig qualitätserfüllende Angebote zur Auswahl. In 2002 wurden die Kategorien angepasst auf TV, Web-TV und Medienjournalismus und der Förderpreis aufgesplittet in Medienkompetenz Newcomer und Professionals. Daneben wurde erstmals ein Publikumspreis verliehen, über den die Nutzer*innen abstimmen konnten, der bis 2006 vom damaligen Hauptsponsor INTEL gestiftet wurde. 2003 wurde Web-TV zu Web-Media, in der Kategorie gab es in dem Jahr aber nur Nominierte und keine Preisträger. Die Förderpreise des Landes NRW für Medienkompetenz wurden eingestellt.

2005 gab es dann die letzte große Änderung der Kategorien, die bis heute Bestand hat. Die neuen Kategorien lauten Information, Wissen und Bildung, Kultur und Unterhaltung und Spezial sowie Publikumspreis. Damit fokussieren sich die Kategorien weniger auf den Ausspielungsort und die Formate der Angebote, sondern beschäftigen sich mit der inhaltlichen Ausrichtung wie Informations-, Wissens- und Kulturvermittlung. In der Kategorie Spezial werden „innovative und qualitativ herausragende Konzepte und Beispiele für publizistisch relevante Angebote sowie publizistische Einzelleistungen von besonderer Qualität“ prämiert (aus dem Statut des Grimme Online Award). Der Klicksafe-Preis für Sicherheit im Internet wurde 2009 bis 2017 im Rahmen der GOA-Preisverleihung verliehen.

Gruppenbild Preispaten (mit John Malkovich) und Preisträger während der Preisverleihung 2005, Picture by: www.Virtual-Nights.com

Neben Moderation und musikalischer Begleitung waren prominente Preispat(inn)en seit Beginn des Grimme Online Award wichtiger Bestandteil der Preisverleihung. Zu Beginn des Preises wurden noch Hollywood-Schauspieler wie Dennis Hopper, John Malkovich, Jeremy Irons oder Gerard Depardieu als Preispaten für die Preisträger des INTEL Publikumspreises eingeflogen. Nach einem Start in der Flora in Köln wurde die Preisverleihung in den ersten Jahren mit Glanz und Gloria und Zigarren auf Schloss Bensberg gefeiert, bevor es für viele Jahre in die VULKAN-Halle in Köln ging. Zurück in die Flora ging es wieder ab 2016.

Während der Coronazeit wurde für zwei Jahre (2020-2021) aus den Vor-Ort-Veranstaltungen des Grimme Online Award ein rein digitales Format. Nicht nur die Kommissionssitzungen fanden per Zoom statt, auch die Bekanntgabe der Nominierungen war rein virtuell im Livestream zu sehen und eine Überraschungsveranstaltung für alle Nominierten. Im Vorfeld zur Verleihung wurden erstmals via YouTube-Livestream Pre-Partys mit den Nominierten veranstaltet, so dass sich diese zumindest virtuell kennenlernen und über ihre Projekte austauschen konnten.

Für die Preisverleihung selbst wurde im Harbour Club ein Talkshow-Set aufgebaut, bei dem zwar die Moderation und Preispaten vor Ort waren, die Nominierten aber zugeschaltet wurden. Das tat der Freude der Preisträger jedoch keinen Abbruch.

Talkrunde der Preisverleihung 2020 im Harbour Club mit Moderator Michel Abdollahi, Preispaten Vera Lisakowski, Michael Mittermeier, Sara Nuru, Rainer Maria Jilg und Laura Karasek, Foto: Arkadiusz Goniwiecha/Grimme-Institut

Seit Beginn des Grimme Online Award wurde der Wettbewerb durch das Statut auf stabile Beine gestellt. Nicht das Grimme-Institut und seine Mitarbeitenden entscheiden über die Qualität im Netz, sondern sie berufen jedes Jahr die unabhängigen Gremien der Nominierungskommission und Jury ein, die sich aus Expert*innen aus ganz unterschiedlichen Bereichen zusammensetzen, gemeinsam sichten und Nominierte und Preisträger prämieren.

Auch Probleme bei der Datenbank, ein Hackerangriff auf die Arbeitsplattform in 2004 und die unbeabsichtigt geleakte Vorabinfo über Preisträger vor der Preisverleihung in 2007 konnten den Grimme Online Award nicht davon abhalten, über die kommenden Jahre schnell zu einem der renommiertesten Qualitätspreise in Deutschland für Online-Publizistik zu avancieren, liebevoll auch „deutscher Internet-Oscar“ genannt. Mittlerweile wurden über 30.500 Vorschläge eingereicht, 613 Internet-Angebote nominiert und 198 Preisträger prämiert (Stand Ende 2023).

Die Grundstöcke, die in der Entwicklung des Grimme Online Award gelegt worden sind, haben dazu beigetragen, dass der Preis auch 23 Jahre später für Qualität im Netz steht und auch viele organisatorische Strukturen aus den Anfangsjahren weiterhin Bestand haben.