GOA talks 2022 – wer spricht? (2)

Veröffentlicht von lw am

Im Panel „Stimmen aus der Vergangenheit“ sprechen Katarina Agathos und Melanie Longerich über ihre historischen Audioangebote: Die Höredition „Die Quellen sprechen“ vom Bayerischen Rundfunk und den Podcast „Gestern ist jetzt“.

Katarina Agathos …
… ist Chefdramaturgin für Hörspiel im Bayerischen Rundfunk. Sie produzierte bislang weit über hundert teils preisgekrönte Stücke in den Genres Mundart, Krimi, literarisches Hörspiel, Radiokunst, Serie und dokumentarisches Hörspiel. Seit 2013 betreut sie die dokumentarische Höredition „Die Quellen sprechen“, die auf der 16-bändigen wissenschaftlichen Edition „Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933-1945“ beruht. Für die ARD und Deutschlandfunk war sie Autorin und federführende Redakteurin der 24-teiligen Serie „Saal 101 – Dokumentarhörspiel zum NSU-Prozess“, die 2021 mit dem Deutschen Hörbuchpreis, dem Orson Award und dem Preis „Hörbuch des Jahres“ ausgezeichnet wurde. Sie ist fasziniert von allen Kunstformen, die man hören kann – ob klassisches Hörspiel, Soundart im Museum, Audiowalk, Klangkunstwerk oder Podcast – und als Autorin, Herausgeberin und Vermittlerin tätig.

Die Höredition „Die Quellen sprechen“ wurde 2020 für den Grimme Online Award in der Kategorie „Kultur und Unterhaltung“ nominiert.

Porträt Katharina Agathos
Porträt Katarina Agathos, Foto: Gila Sonderwald

„Erzählen, was nicht erzählt werden kann: In der vom BR gemeinsam mit dem Institut für Zeitgeschichte realisierten Höredition „Die Quellen sprechen“ sind Original-Dokumente zur Judenverfolgung durch die Nationalsozialisten zu hören. Ohne Kommentierung steht ein Erlass Reinhard Heydrichs neben dem Tagebucheintrag eines jüdischen Jugendlichen oder einem Hetzartikel aus dem Völkischen Beobachter. Die eindrücklichen Archivstücke werden ergänzt durch Interviews mit Zeitzeugen und zu den wissenschaftlichen Hintergründen.“ (aus der Projektbeschreibung beim Grimme Online Award 2020)

Koordinatorin und Redakteurin Katarina Agathos erklärt im quergewebt-Interviewihre Beweggründe für die Umsetzung:

„Neugierde. Wissbegierde. Mehr Wissbegierde als Neugierde. Natürlich habe ich es als einmalige Chance angesehen, eine wissenschaftliche Edition, die, wenn sie abgeschlossen ist, zwischen 5.000 und 6.000 Dokumente zur Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland bereithalten wird, fürs Radio und fürs Internet aufzubereiten. Wir wussten, dass diese wissenschaftliche Edition toll gemacht sein, unheimlich tief gehen und dennoch nur einem relativ kleinen Leserkreis vorbehalten sein wird und haben da eine Chance und auch eine Aufgabe gesehen, als Bayerischer Rundfunk und als Massenmedium, diese wunderbare Arbeit, diese Grundlagenforschung einem sehr viel breiteren Publikum zugänglich zu machen.“

Im vollständigen Interview mit Katarina Agathos lässt sich außerdem nachlesen, wie die Dokumente ausgewählt werden, wer die Sprecher*innen sind und wie die Reaktionen ausschauen.


Melanie Longerich…
…ist freie Radiojournalistin und Moderatorin. Studium der Neueren, Osteuropäischen Geschichte sowie Politikwissenschaft in Düsseldorf und Warschau. Volontariat bei der Lausitzer Rundschau in Cottbus, journalistische Stationen in Zürich, Opole, Szczecin und Berlin. Mitbegründerin des Netzwerks für Osteuropaberichterstattung n-ost. Melanie Longerich lebt heute in Köln und arbeitet dort v.a. für den Deutschlandfunk. Herzensding: Der Podcast „gestern ist jetzt“, der gemeinsam mit der Journalistin Brigitte Baetz Antworten darauf sucht, wie sich die eigenen Großväter im Nationalsozialismus verhalten haben – und auch andere Enkel*innen bei ihrer Recherche unterstützt.

Porträt Melanie Longerich
Porträt Melanie Longerich

„In ihrem Podcast “Gestern ist jetzt” ergründen die beiden Journalistinnen (Brigitte Baetz und Melanie Longerich) die eigene Familiengeschichte, sprechen mit Verwandten und durchsuchen Fotoalben und Tagebücher. Sie führen aber auch Gespräche mit Expertinnen und Experten aus dem Bereich der Psychologie, Geschichte oder Sozialwissenschaften und holen sich Tipps für ihr weiteres Vorgehen. Bei der Suche nach der eigenen Familiengeschichte eröffnen sich immer wieder neue Nebenstränge und neue Geschichten. Baetz und Longerich dokumentieren ihre eigene, ergebnisoffene Recherche.“ (aus dem Adventstürchen 1, 2021 beim Grimme Online Award)

Melanie Longerich und Brigitte Baetz sprechen in der Vorstellung ihres Projekts über die Beweggründe hinter dem Podcast:

„Irgendwann redeten wir über unsere Familiengeschichten und entdeckten viele Gemeinsamkeiten – das Schweigen über unsere Großväter zum Beispiel. Es lag über unseren Familien wie eine Glasglocke – nicht zu sehen, aber trotzdem zu spüren. Ein seltsames Phänomen, denn unsere beiden Großväter verband nichts, schon gar nicht politisch, außer dass sie beide den Nationalsozialismus erlebt haben. Warum wissen wir eigentlich so wenig über sie? Und warum wurde in unseren Familien so wenig über sie gesprochen? Wir möchten endlich genau wissen, wie sich unsere Großväter im Nationalsozialismus verhalten haben – und wie das auch unsere beiden Familien bis heute beeinflusst.“

(von der Website „Gestern ist jetzt“)